Gian Piero de Bellis

Polyarchie : ein Manifest

(2003)

 


 

Teile II

Vergangenheit/Gegenwart


18. Der Staat übernimmt die Macht

19. Imperialismus

20. Militarismus

21. Der Niedergang des Kapitalismus

22. Der Niedergang des Sozialismus

23. Der endgültige Untergang

24. Von Kapitalismus/Sozialismus zu Etatismus

25. Etatismus (Herkunft und Typologie)

26. Sozialismus/Kommunismus

27. Faschismus/Nationalsozialismus

28. Dirigismus/Wohlfahrtismus

29. Etatismus als Weltsystem (20. Jahrhundert)

30. Etatismus: Grundlagen (Krieg - Wohlfahrt)

31. Etatismus: das kulturelle System

32. Etatismus: das wirtschaftliche System

33. Etatismus: das politische System

34. Etatismus: positive Aspekte

35. Etatismus: negative Aspekte

 


 

18. Der Staat übernimmt die Macht (^)

Parallel zum Nationalismus wurden zwei Gerichte mehr und mehr zum Grundnahrungsmittel der Massen, die vom Staat auf verschiedene Arten in Verbindung mit degeneriertem (d. h. bürokratisch/monopolistischem) Kapitalismus und Sozialismus zubereitet wurden:

  • Rassenhass
  • Klassenhass

Die Auseinandersetzung um politische Macht wurde von Gruppen geführt, die in einem Wettbewerb um die Unterstützung der Massen standen und irrationale Leidenschaften für unwürdige Motive hervorriefen.

Hass, der gegen die "Anderen" gerichtet war, diejenigen mit unterschiedlichen Religionen, Kulturen, Lebensstilen und politischen Überzeugungen, wurde zur gemeinsamen Währung im Europa des späten 19. Jahrhunderts.

Hauptsächlich die Juden wurden zu Sündenböcken, einem leichten Ziel zur Ablenkung von jeder Art von Krise oder Verbrechen. Von der "Dreyfus Affäre" in Frankreich bis zur "Endlösung" der Nazis und darüber hinaus vermischten sich während des ganzen 20. Jahrhunderts staatlich geförderter Rassen- und Klassenhass in einem vergifteten berauschenden Cocktail.

Dieser Cocktail mit Nationalismus als Hauptzutat hatte vor allem zwei Ergebnisse:

  • Imperialismus
  • Militarismus

Konzentrieren wir uns auf diese beiden Phänomene (Imperialismus/Militarismus), da sie zum (vollständigen) Niedergang sowohl des Kapitalismus als auch des Sozialismus führten wie auch zum endgültigen Aufkommen des Virus (Etatismus), der Gemeinschaften und Individuen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und über weite Teile des 20. Jahrhunderts gequält hat. Diese Periode war durch die Dominanz der Nationalstaaten geprägt und durch die Desaster und Zerstörungen, die von ihnen ausgingen.

 

19. Imperialismus (^)

Imperialismus ist die Startphase des Etatismus.

In der Vergangenheit haben Händler, Pilger und Abenteurer Ozeane überquert und unbekanntes Land betreten; Völker sind gewandert und haben Land okkupiert, sich mit den ursprünglichen Einwohnern vermischt oder neue Landstriche besiedelt und kultiviert (Kolonisierung).

Als der merkantilistische Staat die Weltbühne betrat, wurde es zum wichtigsten Ziel, sich Reichtümer anzueignen, besonders Gold und Silber, da diese eine Steigerung seines Reichtums und seiner Macht repräsentierten.

Diese Politik wurde als Kolonialismus bekannt.

Während der Entwicklung des Kapitalismus (vom Ende des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts) kam der Kolonialismus beinahe zum Stillstand. Der Staat als hauptsächlicher Unterstützer des Kolonialismus war nicht länger das Machtzentrum, während die neuen dynamischen Kräfte, repräsentiert durch kapitalistische Unternehmer und Händler, damit beschäftigt waren, Güter herzustellen und zu vertreiben und neue mechanische Geräte zu erfinden und zu perfektionieren.

Die Situation änderte sich, als ein System von Nationalstaaten in Europa installiert war und der Kapitalismus eine Produktionsmaschinerie aufgebaut hatte, die den Unterhalt einer ständig wachsenden parasitären Schicht (Bürokratie und ihre sozialen Fortsätze) ermöglichte.

In diesem Augenblick wurden Kolonialismus und die kapitalistischen Handelsstationen eine Sache der Vergangenheit und ein neues Phänomen erschien: Imperialismus.

Imperialistische Vorherrschaft wurde in vielen Fällen auf der Basis existierender Handelsposten aufgebaut; aus diesem Grund hat man Kapitalismus mit Imperialismus assoziiert und verwechselt. Imperialismus (politische Dominanz) war aber nicht notwendigerweise eine Begleiterscheinung des Kapitalismus (wirtschaftlicher Nutzen) oder auch vorkapitalistischer Ausbeutung. Tatsächlich wurden schon vor dem Aufkommen des Kapitalismus enorme Profite im Sklavenhandel erwirtschaftet, der sich auf verstreute kleine Handelsposten an der afrikanischen Küste des Senegal stützte, wofür die weißen Sklavenhändler weder das Land beherrschen noch ins Landesinnere eindringen mussten.

Soweit es den Kapitalismus angeht, bestand dessen Interesse in der Herstellung und im Vertrieb von Gütern und nicht darin, ein Gebiet zu beherrschen oder zu verwalten. Er brauchte Handelsposten, nicht etwa Land, eine Hauptstadt oder Bürokratie.

Die These, hinter jedem imperialistischen Wagnis stünden wirtschaftliche Gewinne, Gold und Schätze ist so plausibel, dass sie (beinahe) überall akzeptiert ist, obwohl sie faktisch falsch ist. Natürlich war sie dem Staat nützlich, wenn er eine nachträgliche Erklärung für seine Torheiten finden musste. Tatsächlich war der Imperialismus im Ganzen gesehen ein sehr teures Abenteuer, und zwar eines, das kein vernünftiger Kapitalist je unterschrieben oder auch nur erwogen hätte, wenn es um sein eigenes Vermögen gegangen wäre.

Nur der Staatsnationalismus, der in einer eindeutig ausbeuterischen Weise auf den produktiven Leistungen des Kapitalismus aufbaute, konnte Expansionsstreben hervorbringen.

Wichtiger noch ist, dass unter dem Imperialismus die wachsende Masse der Staatsbürokratie und die zunehmende Rolle des staatlichen Militärs standen, die für ihn eintraten und ihn unterstützten.

 

20. Militarismus (^)

Die Konsolidierung der Nationalstaaten und ihrer imperialistischen Abenteuer verlangte nicht nur Helfer mit der Feder (Bürokraten), sondern auch Helfer mit dem Schwert (Soldaten).

Militärausgaben stiegen zwischen dem Ende des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich an: in Deutschland von £10 Millionen 1870 auf £110 Millionen 1914 (eine Verzehnfachung); in Großbritannien im gleichen Zeitraum von £23 Millionen auf £76 Millionen.

Mit den Ausgaben stieg die Arroganz der Militärs, aufgestachelt und verstärkt durch den suggestiven Wahnwitz des Patriotismus, der auf der Oberfläche so respektabel und doch im Kern so verrottet war.

Für Frankreich kann man das gut an der tragisch absurden Entwicklung der "Dreyfus Affäre" sehen, in der die militärische Kaste auf Blut aus war und Lüge auf Lüge häufte, um sich selbst um jeden Preis zu schützen.

In Deutschland war die militaristische preußische Haltung in ganz Europa hochgeschätzt bereit, andere kontinentale Staaten in das Massaker eines Krieges zu verwickeln.

Der Erste Weltkrieg war kein Betriebsunfall, sondern das beinahe unvermeidliche Ergebnis eines ausufernden und außer Kontrolle geratenen Militarismus, gespeist aus dem Nationalismus und Imperialismus der Staaten.

Das Gerangel um Afrika war die Kraftprobe der Nationalstaaten, die Vorbereitung für den totalen Krieg.

Der Pistolenschuss in Sarajevo würde zum Vorwand des Endes eines kurzen Zwischenspiels des Liberalismus werden und den Funken abgeben für die Ereignisse, die kurz darauf zum Niedergang sowohl des Kapitalismus als auch des Sozialismus führen sollten.

 

21. Der Niedergang des Kapitalismus (^)

Das gleichzeitige Erstarken von Nationalismus und Militarismus trug dazu bei, den Kapitalismus in Bürokratismus und Monopolismus zu treiben.

Der Protektionismus geschwächt, aber unter dem Kapitalismus nie ganz abgebaut, erstarkte gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder.

Tatsächlich war der Kapitalismus nicht nur das dynamische System, als das er von Freund und Feind gleichermaßen dargestellt wurde. Neue Wirtschaftsunternehmen hatten im Versuch sowohl Risiko als auch Verantwortung zu vermeiden (Gesellschaften mit beschränkter Haftung) ihre Macht vergrößert (Kartelle und Konzerne). In einigen Fällen hatten Monopole und Kartelle, gestützt vom wieder erstarkenden Protektionismus, die Freiheit des Marktes, (die sogenannte unsichtbare Hand) der Lächerlichkeit preisgegeben; in anderen Fällen baten schwache und überholte Industriezweige in der alten Tradition der merkantilistischen politischen Ökonomie um Protektion des Staates.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, übernahm der Staat praktisch überall die Kontrolle über das Eisenbahnnetz, die Seefahrt, die Goldreserven und einige strategisch wichtige Materialien.

Nach dem Krieg kontrollierte der deutsche Staat mehr als 50 % des nationalen Einkommens; in Italien konnte Mussolini 1934 damit prahlen, dass 3/4 der Wirtschaft in der Hand des Staates waren.

An diesem Punkt war der Staat bereit, nicht nur die Wirtschaft, sondern die ganze Gesellschaft zu übernehmen und zu dominieren.

Und der Kapitalismus, der sich der Logik von Nationalismus, Protektionismus und Monopolismus unterworfen hatte, war willens, eine untergeordnete Position anzunehmen und in den folgenden Jahren der nützliche Idiot des Staates zu werden, der für alles, was schief ging, zur Verantwortung gezogen werden konnte, die gefügige Kuh, die um ihren Reichtum gemolken wurde, und das nur, um in einer degenerierten Form am Leben zu bleiben.

Der staatliche Zwang zu einer neo-merkantilistischen Politik auf Basis des Protektionismus schnitt dem Welthandel die Luft ab und war verantwortlich für wiederkehrende Krisen und eine lange Depression, die beide dem Kapitalismus zugeschrieben wurden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stagnierte die Produktion lange Zeit oder wuchs selbst angesichts unbefriedigter Bedürfnisse nur sehr langsam. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte konnten die Menschen durch die Abschaffung vieler Handelsschranken (1948 GATT 1957 Europäischer Binnenmarkt) einen steigenden Lebensstandard genießen. Der Beitrag des Staates zum Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg geht gegen null, außer vielleicht, wenn wir berücksichtigen wollen, dass er, seine erstickende Präsenz und seine nachteilige Kontrolle des Außenhandels (aber nicht die der inneren Angelegenheiten) reduzierte.

Dass der Kapitalismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Staat eliminiert wurde, kann man beispielhaft an seiner Behandlung der Juden sehen. Wenn es eine Gruppe gab, die den Geist des Kapitalismus (Internationalismus, Liberalismus, Wirtschaftlichkeit etc.) wirklich repräsentierte, dann waren es die Juden. Das 20. Jahrhundert, das Jahrhundert des Etatismus, nahm die Diskriminierung, Gettoisierung und Auslöschung der jüdischen Gemeinden in vielen Ländern Europas durch den Staat hin.

Der Niedergang des Kapitalismus und seinen Ersatz durch den Etatismus mit seiner neo-merkantilistischen Politik kann in Europa auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs datiert werden. Von da ab war Europa von einer Politik des Protektionismus und Dirigismus unter Aufsicht der Nationalstaaten dominiert.

 

22. Der Niedergang des Sozialismus (^)

Der Aufstieg des Kapitalismus und die Zunahme von Fabriken waren gleichbedeutend mit einem enormen Anstieg der Zahl der Fabrikarbeiter.

Politisch bedeutete die Ausweitung des Wahlrechts für die Arbeiter die Möglichkeit, Repräsentanten in nationale Parlamente zu wählen.

Um die Lebensumstände der Arbeiter zu verbessern, wurden sozialistische und sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften in ganz Europa gegründet. Parteien und ihre Delegierten brachten mehr Disziplin und Kontinuität in den Kampf um die Emanzipation der Arbeiter und ihre Besserstellung ein, wurden aber zugleich mehr und mehr zu externen Vermittlern, die die Kontrolle übernahmen und die Massen für ihre eigenen Ziele manipulierten (Einkommen, Sicherheit, Macht).

Eine neue Bürokratie kam auf. Die Dynamik war die der Verbreitung der Staatsbürokratie ähnlich: Produktion erlaubte das Durchfüttern der Parasiten, wobei in diesem Fall die parasitischen Schichten aus der Gruppe der Arbeiter kamen bzw. sich auf ihre Seite stellten. Partei-Bürokraten wurden die Urheber und zugleich Vermittler in Konflikten, die an Stelle direkter Aktion und Selbst-Emanzipation traten.

Die mächtige deutsche Sozialdemokratische Partei wurde nach dem Vorbild der preußischen Armee geschaffen und diente als Model für andere sozialistische Parteien.

Wie beim Kapitalismus war der Niedergang des Sozialismus zuallererst ein inneres moralisches Debakel, das die Seele (die sozialistische Sehnsucht) zerstörte und den Körper (die Partei-Bürokratie) behielt.

Es gibt viele Grabsteine, die den Tod des Sozialismus festhalten:
- 1919: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden von den paramilitärischen Freikorps mit Billigung des sozialdemokratischen Innenministers Noske ermordet;
- 1921: Niederschlagung des Aufstandes in Kronstadt durch die Bolschewiken;
- 1936-1937: Diffamierung und Ausschaltung der Anarchisten durch die Kommunisten während des spanischen Bürgerkriegs.

All diese Ereignisse waren durch tatsächliche physische Todesfälle gekennzeichnet. Jedoch ist keines so repräsentativ für den Tod (den inneren Tod) wie die fast einstimmige Zustimmung der Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei im Reichstag zu den Kriegskrediten (1914).

Nach diesem Datum hing das Wort "Sozialist" (wie in "Sozialistische Partei") schon nicht mehr mit Freiheit, Emanzipation, Internationalismus und Pazifismus zusammen, also mit den elementaren Grundsätzen des Sozialismus.

 

23. Der endgültige Untergang (^)

Der Höhepunkt dieser Dynamik, die schliesslich ein neues Machtsystem basierend auf dem Staat zur weltweiten Vorherrschaft hervorbrachte, ereignete sich an einem Dienstag Ende Oktober 1929.

An diesem 29. Oktober 1929 zerstörte der Zusammenbruch der US-Börse die Reputation des Kapitalismus als lebensfähiges Wirtschaftssystem, das ohne Regulierung von oben fortbestehen konnte. Nach diesem Ereignis war der Kapitalismus unwiderruflich tot, theoretisch und praktisch.

Die Erzeugungsschaffung dieses Anlasses und der daraus resultierenden antikapitalistischen Einstellung war ein Meisterstück der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Zu dieser Zeit fand das Wort "Kapital" mehr Anwendung für Papiere, sei es Banknoten oder Aktien als für produktive Anlagen, was nicht nur einiges über die Veränderung des Ausdrucks selbst, sondern auch der Welt seit Adam Smith erzählt. Tatsächlich hatte dieser sogenannte "Kapitalismus" eine solche radikale Veränderung durchgemacht (von Industrie zu Finanz, vom Freihandel zum Protektionismus, von laissez faire zum Dirigismus), dass es angemessener gewesen wäre (theoretisch und praktisch), ihn für tot zu erklären, als von einer Entwicklung zu sprechen. Aber diese freimütige Todeserklärung passte weder dem Staat, dem neuen heimlichen Herrscher, noch der Öffentlichkeit insgesamt, die weiterhin von Freihandel, freien Unternehmungen und einem ausgeglichenen Haushalt träumte, Realitäten, die lange schon verloren gegangen waren oder in manchen Ländern nie existiert hatten.

In den USA hatte die Bundesregierung (der Zentralstaat) seit dem Krieg mit Spanien (1898) und der Präsidentschaft von Theodore Roosevelt begonnen, sich in alle möglichen Wirtschaftsangelegenheiten einzumischen.

1913 wurde die Föderalreserve (Zentralbank) eingeführt, die der sogenannten "Anarchie" des Kapitalismus ein Ende setzen sollte und als Gegenmittel gegen die Zusammenbrüche von Banken, die sich in den vorangehenden 20 Jahren auf 1748 aufsummiert hatten.

Protektionismus war im Aufschwung. Seit dem Ende des Bürgerkrieges (1865) und später (1890) mit dem ultra-protektionistischen McKinley Tarif Act war die Regierung der Vereinigten Staaten auf eine stark protektionistische Politik eingeschwenkt. Die Zwanzigerjahre sahen dann tatsächlich den großen Crash, der mit den protektionistischen Zöllen der Fordney Bill (1922) begonnen hatte und mit einem weiteren Schub durch den Hawley-Smoott Tarif Act (1930) endete.

Es war also das Meisterstück der Zentralregierung der USA, die Freiheit in der Produktion und im Handel mit allen möglichen staatlichen Kontrollen einzuengen und gleichzeitig dem Kapitalismus oder dem, was davon übrig war, Vorwürfe wegen des Missbrauchs einer Freiheit (krampfhaft Anarchie genannt) zu machen, die er schon gar nicht mehr genoss.

Die Krise entstand aus der Unvereinbarkeit zwischen dem merkantilistischen (d. h. protektionistischen) Staat und einer kapitalistischen (d. h. freiem Handel) Wirtschaft im Niedergang. Dieser Unterschied schuf Reibereien und Ungleichgewichte, die der elementaren Funktionsweise eines unregulierten Kapitalismus zugeschrieben wurden und deshalb weitere staatliche Interventionen (Neo-Merkantilismus) rechtfertigen sollten.

Dass staatlicher Interventionalismus nicht die Lösung war, wird schon daran klar, dass während der nächsten 20 Jahren unter der Kontrolle der Zentralbank die Zahl der Bankpleiten auf 15.502 anstieg (fast eine Neunfachung). Das führte zu grösserer Macht für die Zentralbank und einer grösseren Rolle des Staates im "New Deal". Je weniger die "Staatsmedizin" wirkte, umso mehr wurde sie verschrieben!

Wir können den Börsenkrach und den nachfolgenden "New Deal" als das Ende des Kapitalismus und den weltweiten Aufstieg zur Dominanz des Etatismus festmachen.

 

24. Von Kapitalismus/Sozialismus zu Etatismus (^)

Der Erste Weltkrieg und die folgenden Verwerfungen und Exzesse bis zum großen Crash von 1929 waren die sichtbaren Phänomene einer gigantischen Krise, die die Überbleibsel von Kapitalismus und Sozialismus in einen Zustand findet Erschöpfung warf, aus dem sie in Europa und anderswo praktisch tot hervorkamen.

Man muss natürlich nicht extra festhalten, dass genau wie Elemente des Feudalismus inmitten des Kapitalismus überlebten, Elemente des Kapitalismus und Verfechter des Sozialismus (in beiden Fällen von einer degenerierten und verstümmelten Art) während der Dominanz des Etatismus überleben, wenn auch in einer ganz untergeordneten Position.

Das Ende von Kapitalismus/Sozialismus ist von 3 Ereignissen geprägt:

  • das Ende des Liberalismus: Menschen verzichteten auf Freiheit zugunsten von Patronage und Protektionismus, d. h. Unterordnung, Kontrollen und Restriktionen;
  • das Ende des Individualismus: Individuen machten Platz für Massen, Parteien und Bürokratien;
  • das Ende des wirtschaftlichen Rationalismus: Wirtschaftliches Kalkulieren wurde durch Erwägungen von Macht, Prestige und Patronage ersetzt.

Nach diesem bedauerlichen Ende überlebten nur die mächtige Industrie-Maschine und die disziplinierten Arbeitskräfte, die von Kapitalismus und Sozialismus ins Leben gerufen wurden und die jetzt im Dienst und zum Nutzen des Staates zur Förderung von Einkommen und für die Herstellung von Kriegsgerät stand.

Es überlebte aber noch etwas anderes: die Labels "Kapitalismus" und "Sozialismus" wurden zu Bezeichnungen für das, was jetzt nur noch leere Hüllen waren, die nach Bedarf und um die man zum Nutzen der Gauner des Etatismus kämpfen konnte. Man muss ganz deutlich festhalten, dass so wie die Verwendung des Wortes "Kapitalismus" während des 20. Jahrhunderts nichts zu tun hat mit dem historischen Phänomen freien Unternehmertums, das während des 19. Jahrhunderts in Blüte stand, auch das Wort "Sozialismus" (übrigens auch "Liberalismus") in seiner Verwendung im 20. Jahrhundert im Vergleich zu der im 19. Jahrhundert einen ähnlichen Bedeutungswechsel erfahren hat, sodass sie in einem wissenschaftlich historischen Kontext nicht länger brauchbar sind.

So wurde aus dem Tod von Kapitalismus und Sozialismus und den inzestuösen Verbindungen zwischen degenerierten Überbleibseln des sogenannten Kapitalismus und Sozialismus der Etatismus geboren.

 

25. Etatismus (Herkunft und Typologie) (^)

Der Staat ist die Macht, die zum Erhalt und zur Verewigung parasitärer Schichten geschaffen wurde, und Etatismus ist die allgemeine Bezeichnung für alle Ideologien und Realitäten, die auf die Erweiterung und Erhaltung der Macht des Staates abzielen.

Der Ursprung des Etatismus kann auf den Ersten Weltkrieg datiert werden und die daraus resultierende unglaubliche Vergrößerung der Rolle des Staates. Kriege sind nach der Formulierung von Randolph Bourne, "the health of the state" (etwa: Krieg ist das Elixier des Staates). Sie führen beinahe unvermeidlich zu einer Situation, in der Menschen bereit sind, Freiheit im Tausch für Sicherheit aufzugeben. Und für gewöhnlich sind es genau die Kräfte, die sie zuerst der Sicherheit beraubt haben (der Staat und besonders sein Militärapparat), die diese Sicherheit dann wieder begründen und gewähren sollen. Üblicherweise ist die perfide Vorbedingung dafür auch, dass die Menschen ruhig und gehorsam bleiben (abgesehen davon, dass sie im Krieg töten und getötet werden).

Wie die Geschichte immer wieder vom einzelnen Schuss in Sarajevo am Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu den vielen am Ende des Jahrhunderts zeigt, haben Ruhe und Gehorsam, wie sie vom Staat verlangt oder aufgezwungen wurden, schreckliche Tragödien hervorgebracht, in denen weder Sicherheit noch Freiheit überlebt haben, geschweige denn, dass sie wieder eingeräumt wurden.

Das binomische "Law and Order" als Markenzeichen des Staates und als wichtigste Begründung seiner Existenz wurde zu einer Fehlbezeichnung für Unterdrückung und Zerrüttung. Die Wucherung von Bestimmungen, die dazu dient, alles und jeden unter der Kontrolle des Staates zu halten, hat zum Phänomen der "Disnomie" geführt, also zu Gesetzen, die materielle und moralische Unordnung auslösen.

Der Begriff Etatismus bezieht sich auf ein Machtsystem, das durch Kontrolle und Dominanz (absolute oder relative) des Staates über jede Lebenssituation oder Aktivität herrscht. Dieses Machtsystem unterdrückt und unterjocht alle Entitäten, die sich ihm entgegensetzen. Die einzig anerkannte souveräne Institution ist der Staat. Natürlich existiert so etwas wie "der Staat" nicht, sondern vielmehr Bürokraten aller Art und in allen Bereichen: politisch, administrativ, gerichtlich, militärisch, finanziell etc., die Hand in Hand für die Mästung der parasitären Schichten arbeiten, deren innerster Kern sie sind.

Das alte Vokabular ist nach aussen als Tarnung erhalten geblieben (also kapitalistische Gesellschaft, Kampf für den Sozialismus) als nützliches Hilfsmittel für die Bürokraten, wenn sich die Dinge in die falsche Richtung bewegen.

Etatismus tritt unter drei hauptsächlichen Bezeichnungen auf:

  • Sozialismus/Kommunismus
  • Faschismus/Nationalsozialismus
  • Dirigismus/Wohlfahrtismus.
Wie bereits wiederholt ausgeführt, sollten wir uns von diesen Bezeichnungen nicht ablenken lassen. Der "Sozialismus", um den es hier geht, hat nichts mit den Ideen zu tun, die im 19. Jahrhundert entwickelt und um die damals gekämpft wurde (besonders in der ersten Hälfte des Jahrhunderts). Dieser Staatssozialismus hat viele Ähnlichkeiten mit Faschismus und Nazismus (d. h. Nationalsozialismus) und Politiker wie unter anderem Mussolini, Laval und Quisling bewegten sich von einer Bewegung zur anderen, wie es ihren Ambitionen auf die Macht am nützlichsten war. Sogar das Wort "Wohlfahrt" bezieht sich unter dem Etatismus nicht auf körperliches oder geistiges Wohlbefinden von Individuen oder Gemeinschaften.

 

26. Sozialismus/Kommunismus (^)

Das früheste Beispiel für den Etatismus findet man im rückständigsten und absolutistischsten Staat Europas: Russland.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Russland eine feudale Gesellschaft, die praktisch nichts mit Kapitalismus und überhaupt nichts mit Liberalismus zu tun hatte.

Genauso wie in England die Existenz von Freiheit die besten Bedingungen für die Geburt der Industriellen Revolution abgab, waren in Russland das Fehlen der Freiheit und die Existenz einer großen Bürokratie unter einem absolutistischen Herrscher die idealen Bedingungen für die Entwicklung des Etatismus.

Die Bewertung der Oktoberrevolution als sozialistische Revolution ist entweder ein Missverständnis (Selbsttäuschung) oder eine Mystifizierung (Massentäuschung) der Realität. Außer sozialistischer Phraseologie gibt es weder theoretisch noch praktisch eine Begründung dafür und das ist nur gelinde ausgedrückt.

Die Oktoberrevolution markiert tatsächlich nur den Übergang von Feudalismus zum Merkantilismus unter einer neuen Führung.

Fast von Anfang an förderte und verhängte die Revolution dieselbe Mischung merkantilistischer Prinzipien, die über die kommenden Jahre hinweg angewandt würden:

  • Interventionismus: der Staat setzt Industrie und Handel in Gang und kontrolliert sie;
  • Fiskalismus: der Staat entnimmt so viel von den Einnahmen wie möglich über Steuern bis hin zur völligen Ausbeutung und physischen Eliminierung (z. B. die Kulaken);
  • Hegemonismus: der Staat strebt nach Expansion und dem Aufzwingen ungleicher Handelsbedingungen (z. B. im Umgang mit anderen Nationen oder den sogenannten "Bruderstaaten", also Satelliten oder untergeordneten Ländern).

Es war dieser Merkantilismus, der von schwärmerischen oder verlogenen Intellektuellen als Sozialismus gepriesen und von leichtgläubigen oder vertrauensvollen Gläubigen akzeptiert wurde.

Später wurde der Versuch des russischen Staates, die Wirtschaft durch Pläne für Mechanisierung und Elektrifizierung zu modernisieren, die von oben ausgetüftelt wurden, also die Einführung eines ausgewachsenen Etatismus als Übergang zum Kommunismus präsentiert. Durch Propaganda wurde das zum Vorbild, dem eine wachsende Zahl von Arbeitern und Intellektuellen folgte, die alle von der Sicherheit und dem Schutz, die der Staat den Massen bot, angezogen wurden, auch wenn sie sie gegen totale Unterwerfung eintauschten.

Die russische Erfahrung wurde, während sie eigentlich nur ein weiterer Beweis für den Tod des Sozialismus war, zur Lehre für viele zukünftige Führer-Diktatoren (besonders in unterentwickelten Ländern) auf dem Weg zum Etatismus.

 

27. Faschismus/Nationalsozialismus (^)

Wie der Krieg zum sogenannten Sozialismus in Russland führte, so war er auch die Quelle von Faschismus und Nationalsozialismus in Italien und Deutschland.

Italien hatte eine Wirtschaft, in der es nur wenige kapitalistische Gebiete gab, besonders im Norden des Landes, während sie sonst hauptsächlich auf aktualisiertem Feudalismus basierte.

Der Faschismus fand seinen Nährboden im Unmut derer, die nach den Unruhen der Kriegszeit keine zufriedenstellende Stellung innerhalb der existierenden Machtbasen (die Staatsbürokratie, die sozialistische Bürokratie) fanden. Alles war vergeben. Es waren keine Plätze mehr frei.

Es musste etwas geschehen, und zwar durch eine neue Bewegung: Faschismus und die "fasci di combattimento" (Kampfbünde: die Bewegung, die Mussolini in Mailand am 23.3.1919 gründete).

Um an die Macht zu kommen und ihre Diktatur durchzusetzen, waren die faschistischen Führer bereit, allen alles zu versprechen, wie sie es bei Anlässen wie dem San Sepolcro Manifest (1919) taten: Niederwerfung der Monarchie, allgemeines Wahlrecht, Kampf gegen den Imperialismus, Verteilung des Landes an Bauern, Kontrolle der Fabriken durch die Arbeiter und so weiter und so fort - allesamt Versprechen, die nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Sobald der Faschismus an der Macht war, blieb neben leeren Worten nichts außer Bürokratisierung, Militarisierung (die sogenannte "Faschisierung") und schließlich der Zerfall der gesamten Gesellschaft.

Deutschland wiederum verfügte über hoch entwickelte kapitalistische Unternehmen. Jedoch hatten die staatlichen Eingriffe in der Wirtschaft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wichtige Impulse für Kartelle (Monopole und Oligopole) und staatlich kontrollierte Banken gegeben.

Das ergab ein sehr vages und zerbrechliches soziales und wirtschaftliches Gleichgewicht, das zusammenbrach, als die Deutschen in einer Krisenzeit (die Rezession der frühen 30er-Jahre), ihre Freiheit dem Staat und dann den Staat den Nazis in der Hoffnung auf Sicherheit und Schutz anvertrauten.

Der Nationalsozialismus war die Bewegung, die am besten geeignet schien, sich um die Ängste der Menschen zu kümmern, seien sie kulturell oder materiell. Fein abgestimmte Propaganda, eindrucksvolle Versammlungen und grandiose Inszenierungen der Macht trugen zum Erfolg des Nationalsozialismus bei. Als die Nazi-Partei später an der Macht war, begann der Staat mit einer Reihe öffentlicher Bau-Vorhaben (z. B. Autobahnen) und anderen Großprojekten, die Arbeitsplätze schaffen sollten. Das spiegelt ein neues wirtschaftspolitisches Denken wider, von dem die Intellektuellen des New Deal inspiriert wurden und auf dem Keynes sein Staatsausgaben-Rezept aufbaute.

Der Nationalsozialismus war die eindeutigste, höchstentwickelte und deswegen auch schrecklichste Ausdrucksform des Etatismus in jedem Aspekt des Lebens: kulturell, politisch und wirtschaftlich. Als Gesellschaftsexperiment konkurrierte er mit dem russischen Kommunismus. Tatsächlich kann man sich Hitler und Stalin als Anführer zweier Verbrecherbanden vorstellen, einander in vielen Aspekten sehr ähnlich, die sich anfangs darüber verständigen, die Beute zu teilen (Molotov-von Ribbentrop Vertrag und die Aufteilung Polens) aber die letztlich nicht anders können als um die völlige und ausschließliche Kontrolle, um ihr Revier zu kämpfen.

Faschismus und Nationalsozialismus, beides antikapitalistische (in ihrer Terminologie "antiplutokratische") Bewegungen repräsentierten am besten den Absolutismus und Imperialismus, die dem Etatismus inhärent sind, in ihrer extremsten kriminellen Form.

 

28. Dirigismus/Wohlfahrtismus (^)

Während Kommunismus (links) und Nationalsozialismus (rechts) in der ersten Hälfte des 20.-Jahrhunderts Herz und Geist dominierten, wurden Dirigismus und Wohlfahrtismus (Mitte) ab der Jahrhundertmitte zum allgemeinen ideologischen Grundsatz des Etatismus in den entwickelten Ländern.

Man muss nicht extra darauf hinweisen, dass "rechts", "links" und "Mitte" ideologische Konzepte, also Waffen des politischen Kampfes, sind, frei von jedem kognitiven (wissenschaftlichen) Wert, da sie Labels sind, die nicht nur ähnliche, sondern in vielen Fällen gleiche Politikstile maskieren.

In den Vereinigten Staaten ließen der große Börsenkrach (ausgelöst durch die Zentralbank mit ihrer Strategie günstigen Geldes auf die eine der Verknappung folgte) und die folgende Depression (unterstützt von der Bundesregierung mit ihrer Politik hoher Zölle, die dem Welthandel die Luft abschnürten), die Massen in einer verzweifelten Situation zurück.

Die Bedingungen für das Auftreten einer Vaterfigur auf der politischen Bühne waren nun gegeben: Franklin Delano Roosevelt. Sein Konzept (der "New Deal"), dem die nationalsozialistische Regierung in Deutschland kurz zuvor mit ähnlichen Maßnahmen staatlicher Kontrolle und Regulierung vorangegangen war, würde dem Zentralstaat die Verantwortung über viele Sphären des Gesellschaftslebens übertragen.

Psychologisch tat der New Deal viel, um den Menschen zu helfen, wieder Vertrauen zu fassen; die tatsächlichen Resultate im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit waren aber minimal. 1933 waren 12 Millionen Menschen arbeitslos, 1938 nach fünf Jahren New Deal und riesiger Bundesausgaben, waren es immer noch 10 Millionen. Dann aber brach der Zweite Weltkrieg aus, die Arbeitslosigkeit konnte durch den Personalbedarf der Armee und die massive Rüstungsproduktion aufgefangen werden und Roosevelt triumphierte sowohl an der Heimfront wie auch im Ausland. Im Endeffekt war es der Krieg, der Millionen von arbeitslosen Amerikanern gab, was der New Deal nicht konnte, was wieder bestätigt, dass Krieg wirklich das Elixier und die Rettung des Staates ist. Die wirkliche wirtschaftliche Erholung kam, als der Krieg vorbei war und der Staat seine bürokratische Einmischung und seine parasitären Aufwendungen reduzierte, indem er den produktiven Kräften erlaubte, sich spontan zu entwickeln: Arbeitsplätze schaffen, Güter und Dienstleistungen produzieren, um bestehende Bedürfnisse zu befriedigen. Im Laufe der Zeit spielte jedoch die Produktion eines Arsenals von Waffen und Armee bezogene Beschäftigten eine immer grössere Rolle zur Stützung der Wirtschaft (der militärisch-industrielle Komplex).  

In England hatte der Krieg den gleichen Effekt der Erweiterung der Macht des Staates, nämlich das Leben der Bürger zu regulieren. Es war nur natürlich, dass im Kriegsverlauf jemand darüber nachzudenken begann, dass der Staat sich sogar nach dem Krieg um jeden und alles kümmern könnte.

So wurde der Wohlfahrtsstaat aus guter Absicht von besorgten und anständigen Menschen geboren.

Im Ergebnis haben Dirigismus und Wohlfahrtismus dazu geführt, dass der Staat die Kontrolle über die Gesellschaft aufgebracht hat und das Leben jedes einzelnen dominiert. Mehr und mehr hat er die Rolle übernommen, die früher von der mittelalterlichen Kirche gespielt wurde und sie dabei noch perfektioniert: Er wurde habgieriger (Steuern), aufdringlicher (Geheimpolizei, das Un-American Activities Committee, etc.) und paternalistischer (soziale Sicherheit) als die alte Kirche und schaffte zusätzlich eine verpflichtende Mitgliedschaft von Geburt bis zum Tod.

 

29. Etatismus als Weltsystem (20. Jahrhundert) (^)

Während des 20. Jahrhunderts hat sich der Etatismus in der ganzen Welt sogar in unterentwickelten Ländern herausgebildet und seine Position gestärkt, manchmal mehr in der Form des Merkantilismus als des voll entwickelten Etatismus.

Alle Erfahrungen des Etatismus waren zumindest anfänglich charakterisiert durch:
- das Auftreten einer Vaterfigur eines Retters
- eine antikapitalistische Haltung, die tatsächlich ein Angriff auf Liberalismus und Individualismus war.

Neben den offensichtlichsten Beispielen wie Mussolini (der korporative Staat), Hitler (der Volksstaat), Stalin (der proletarische Staat), Roosevelt (der interventionistische Staat) und Beveridge (der Wohlfahrtsstaat) sind in der ganzen Welt viele Erscheinungen des Etatismus aufgetreten.

In Frankreich, wo der Staat traditionell eine starke Rolle hat, haben der Gaullismus und die Fünfte Republik die Dominanz des Staates in der schwierigen Übergangszeit der Dekolonisation gestärkt.

In Spanien und Portugal repräsentierten die Regierungen von Franco und Salazar eine eher vorkapitalistische Phase des Etatismus, immer noch eng verbunden mit Kolonialismus und Feudalismus.

In Argentinien, das nach dem Zweiten Weltkrieg ein sehr reiches Land war, baute der peronistische Etatismus auf der Assoziierung weiter Teile der Bevölkerung durch die Verteilung und Verschwendung aller verfügbaren Vermögenswerte auf.

In China wurde der Maoismus die neue Zwangsreligion und Mao der Hohepriester eines despotischen, imperialistischen Staates. Vor allem er war schuld an dem wirtschaftlichen Desaster des "Großen Sprungs vorwärts" (rund 30 Millionen Tote der Hungerkatastrophe) und dem zerstörerischen Machtkampf, der trügerisch "Kulturrevolution" genannt wurde.

In Afrika waren der Staat und seine Bürokratie die giftige Altlast der europäischen Mächte, die wahre Bürde des schwarzen Mannes. Die wahren Hemmnisse eines jeden Versuchs gesellschaftlicher Emanzipation und wirtschaftlicher Entwicklung bestehen nicht in dem, was weggenommen wurde (also den Bodenschätzen, an denen Afrika immer noch reich ist), sondern in dem, was man zurückließ (den Anfängen des Etatismus). Afrikanischer Etatismus war in einigen Fällen das Resultat einer Verbindung von Nationalismus mit Marxismus; dies erlaubte der herrschenden Elite unter dem Lack einer schillernden revolutionären
Phraseologie das zu verbergen, was nichts mehr als eine Aufhebung der Freiheit und eine Monopolisierung von Ressourcen durch die Herren des Staates und ihrer Diener (Bürokratie, Polizei, Armee) war.

In all diesen Fällen kann man den Staat weder als "comité d'affaires" (Geschäftsausschuss) der Bourgeoisie noch als "Schutzheiligen" des Proletariats ansehen, sondern als eine bürokratische, oft kriminelle Organisation, die produktiven Gruppen Reichtum absaugt und es an parasitische Schichten (Interessengruppen und Schmeichler) verteilt.

Etatismus nennt man den historischen Zeitraum einer tiefen und breiten Dominanz einer Entität bezeichnet Staat über jede andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Organisation.

 

30. Etatismus: Grundlagen (Krieg - Wohlfahrt) (^)

Der Etatismus, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat, ruht auf zwei Hauptstützpfeilern.

  • Krieg (Militarismus und Autoritarismus): Armee und Polizei.

Staat und Kriegszustand sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Ohne ständige Vorbereitung und Führung von Kriegen kann die Existenz des Staates nicht gerechtfertigt werden, da regulatorische Aufgaben viel angemessener von anderen größeren und kleineren Organisationen erledigt werden können. In Zeiten ohne Kriegführung muss man Feinde erfinden und Ängste kunstvoll erzeugen. So war der Kalte Krieg eine clevere Erfindung des Etatismus auf beiden Seiten. Damit soll nicht gesagt werden, dass aggressive Haltungen und imperialistisches Verhalten in der Nachkriegswelt nicht üblich gewesen wären, sondern dass sie ein Ergebnis des Etatismus und nicht das Produkt von Kommunismus oder Kapitalismus waren, die als Realitäten bereits tot waren und nur noch als emotional aufgeladene Etiketten überlebten. Aus der Perspektive des Etatismus kann man die chinesisch-russischen Auseinandersetzungen und die Rivalität zwischen Frankreich und den USA viel besser erklären.

In der Tat erlaubte die Propaganda über die kommunistische oder kapitalistische Bedrohung es dem Staat - während sie die Menschen unsicher und gefügig machte - das größte Aufrüstungsprogramm, das jemals das Licht der Welt erblickt hatte, durchzuführen.

Es gab vor allem zwei Gründe für die Schau und den Aufmarsch von Soldaten und Kriegsgerät:

- die Steigerung und Verstärkung (willentlich oder unwillentlich) von Gefolgschaft gegenüber der eigenen Seite, und zwar intern und extern

- die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Volksmassen, was uns zur zweiten Säule des Etatismus bringt:

  • Wohlfahrt (Paternalismus und Parasitismus): die Bürokraten und die Unterschicht.

Der Produktivitätsanstieg durch die Einführung effektiverer Produktionsmethoden führte zu einem Anstieg der Produktionsleistung. Im Verlauf der Zeit begann der Staat in großen Maßstab die Steuerung und Verteilung dieser riesigen Produktion zu übernehmen. Und darin liegt die Durchtriebenheit des Etatismus. Mit der Einführung der Sozialhilfe hat er eine überarbeitete und aktualisierte Version der alten Vorkehrung von "panem et circenses" für den römischen Plebs hervorgebracht. Die Ziele sind die gleichen: die Manipulation der Massen, um ihr Wohlwollen zu gewinnen. Die Staatsfürsorge wurde der Pfad zur massenhaften Warenwohlfahrt zum stets ansteigenden Verbrauch von Gütern, der im Lauf der Zeit die Sinne abstumpft und den kritischen Geist zerstört. Das Proletariat ist vom "Konsumdenken" ersetzt worden, einer Gruppe von Konsumsüchtigen, die jeder Mode und fixen Idee folgen, deren einziges Ziel im Leben es ist, alles aufzusaugen, immer und überall. Mitgefühl, das ursprünglich die Grundlage für die Bereitschaft zur Fürsorge war, hat zu Korruption durch Verbrauch geführt.

Wohlfahrtsschmarotzertum und ständig steigendes Konsum-Niveau haben sich als Bremse für die progressive Verkürzung der Arbeitszeit erwiesen. Das kommt daher, dass von einer schrumpfenden Zahl von Arbeitern eine immer größere Menge an überflüssigen Gütern erwartet wird anstelle von nützlichen und fruchtbaren Aktivitäten, die von allen geteilt werden.

Die zwei verbundenen/antagonistischen Gruppen (Unternehmer und Arbeiter), die die Dynamik des Kapitalismus repräsentierten, wurden unter dem Etatismus weitgehend durch zwei sich unterstützende Gruppen, die sich gegenseitig am Leben erhalten, ersetzt den Verteiler und Empfänger von staatlichen Wohltaten. So lange wie dieses Verhältnis andauert, ist es eine Goldgrube für beide Teile. Wohlfahrt ist tatsächlich zur "Schlechtfahrt" des späten Etatismus geworden, die programmierte Herstellung einer verlorenen und trostlosen Menschheit.

Von der Wiege bis zum Grab oder besser von der unverdorbenen Unschuld zum moralischen Tod: was für eine hinterlistige Tat von Kastration und Korruption im Namen von Fürsorge und Mitleid!

 

31. Etatismus: das kulturelle System (^)

Etatismus ist kein übler Streich, den eine kleine Minderheit verschlagener Menschen der großen Mehrheit anständiger Leute gespielt hat. Nicht im Mindesten.

Etatismus war das (beinahe) unvermeidliche, wenn auch temporäre Ergebnis eines langen historischen Prozesses turbulenter Veränderung, der von der Industrialisierung losgetreten wurde. In seinem Gefolge vermischten sich unter anderem Gier nach Macht und die Hoffnung auf weniger Angst, die Sehnsucht nach weltlichen Göttern und das Streben nach Sicherheit und gebaren den Leviathan.

Der gewöhnliche Mensch des 20. Jahrhunderts ist genau wie der, der aus der Auflösung des Römischen Reiches hervorkam, von der schrecklichen Furcht besessen gewesen, allein und wehrlos zu sein. In der Vergangenheit repräsentierte die Kirche während der bangen Zeiten die Vater/Mutterfigur, in deren Schoss die Seele ruhen konnte, bis eine neue Zeit der Herrlichkeit (die Renaissance) kommen und neue belastbarere Individuen (Unternehmer und Abenteurer) auftauchen würden.

In der Neuzeit hatte der Kapitalismus, der auf einer Seite Freiheit und Individualismus verfocht und auf der anderen die Menschen zu Maschinen machte, den Effekt, Massen von Menschen in ein Gefühl äußerster Ohnmacht zu stürzen. Das ist auch der Grund, warum die Fabrikarbeiter das Bedürfnis hatten, sich in Gewerkschaften und Parteien zusammenzutun.

Sogar viele kapitalistische Unternehmer, die sich nicht nur von der Arbeiterbewegung, sondern auch durch die permanente Modernisierung der Produktionsmittel und -verfahren bedroht fühlten, fanden sich zu Verbänden zusammen und betrieben Lobbyarbeit zur Sicherung ihrer Interessen und unterstützten Interessengruppen und Koalitionen.

All diese Kollektiven-Einrichtungen boten Schutz, Hilfe und Identität unter der Leitung starker Führer.

Beinahe unvermeidlich richteten sie sich nach der Organisation der Macht (dem Staat) aus und waren unter der Kontrolle ehrgeiziger Persönlichkeiten zunehmend daran interessiert, selber nach einem Teil der Macht zu greifen, anstatt ihr despotisches Wesen zu beseitigen.

Dieser lange Marsch durch die Institutionen fand im 20. Jahrhundert sein Ende als sogar die Organisationen, die dem Staat der "Bourgeoise" früher auf schärfste kritisch gegenübergestanden waren (also, die sozialistischen Parteien) selbst zum "Staat" wurden. Das wurde möglich, weil der gewöhnliche Mensch:

- Freiheit für Schutz eintauschte

- seine Verantwortung durch ihre Delegierung abtrat

- seine Individualität und sein Alleinsein für sein Zusammenleben in Herden und seiner Sehnsucht, zu einer "überlegenen" Einheit wie dem Staat oder der Partei zu gehören, aufgab.

Soweit es den Staat angeht, war seine paternalistische und bevormundende Rolle im 20. Jahrhundert im Wirtschaftsleben am offensichtlichsten ermöglicht durch die mächtige Produktionsmaschine, die der Kapitalismus zuvor geschaffen hatte.

 

32. Etatismus: das wirtschaftliche System (^)

Die Wirtschaft des Etatismus ruht auf drei Stützen:

- Arbeitsplätze: Das Überleben des Etatismus und seine raison d'être hängen davon ab, dass er den Menschen Arbeit verschafft. Während im Kapitalismus die Betonung auf produktiver oder profitabler Arbeit lag, steht im Etatismus die sichere Arbeitsstelle unabhängig von ihrer Nützlichkeit oder Bedeutung im Vordergrund. Ein Arbeitsplatz ist vorrangig, sogar wenn die Aufgabe darin besteht, abwechselnd Löcher auszuheben und wieder zuzuschütten. Diese Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, ist die Wurzel der Expansion der Bürokratie und vieler Vermittlungs- und Regulierungsaufgaben (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Consultants etc.). Der Aufstieg des Etatismus im 20. Jahrhundert war und blieb nicht zuletzt deswegen unaufhaltsam, weil immer mehr Menschen ihren Lebensunterhalt vom Staat (Bürokratie, Armee, Polizei), durch den Staat (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer) oder für den Staat (Steuerbeamte) bezogen. Der Staat ernährte sie und sie hingen von ihm ab. Ohne den Staat gab es keine Arbeit, keine Sicherheit, keine Zukunft, nichts. Wenigstens glaubten das viele.

Viele dieser Stellungen und die grosse Zahl an Menschen, die sie ausfüllten, waren keine normale Bedingung für das Funktionieren einer fortschrittlichen Gesellschaft, sondern eine Notwendigkeit für das Funktionieren der staatlichen Kontrolle (die Peitsche) und des staatlichen Paternalismus (die Karotte parasitärer Zuteilung).

- Konsumdenken: Die Verfügbarkeit von Ressourcen und Gütern in einer beispiellosen Zahl hat eine Konsumorgie ermöglicht. Während Kapitalismus die Domäne der Produktion war, ist Etatismus das des Konsums. Für den Staat schlägt das Konsumdenken zwei Fliegen mit einer Klappe: auf der einen Seite ruft es bei der Masse der Konsumenten eine stumpfsinnige, benommene Glückseligkeit hervor, auf der anderen Seite zieht es durch indirekte Steuern unbemerkt Einkünfte ab, um einen weiter ausgreifenden Kreislauf des Konsumverhaltens am Leben zu halten (durch Zahlungen der Fürsorge).

- Steuern und Schulden. Um parasitäre Arbeit (Bürokraten), parasitäre Arbeitslosigkeit (Sozialhilfeempfänger) und den enormen Konsum parasitärer Schichten zu bezahlen, werden enorme Einnahmen benötigt. Dafür greift der Staat zurück auf

- Drucken von Geld: hat Inflation ausgelöst, und so ist es kein Zufall, dass die Epoche des Etatismus historisch und aus sich selbst mit einem konstanten Inflationsdruck verbunden wird;

- Leihen von Geld: resultiert in der Aufhäufung eines riesigen Schuldenberges (in- und ausländisch), der das offensichtlichste Erbe des Etatismus an spätere Generationen ist;

- Abpressen von Geld: ist geschehen durch eine gepfefferte Besteuerung, die Investitionen erschwert, wenn nicht sogar verhindert und soziale und wirtschaftliche Entwicklung behindert hat. Der Staat ist nicht im Geringsten an handwerklichem Können (der Fähigkeit, nützliche und haltbare Güte herzustellen), sondern an Besteuerbarkeit (die Fähigkeit, Handelswaren zu besteuern, wobei je nutzloser und kurzlebiger, desto besser für die Schatztruhen des Staates) interessiert.

Unter dem Etatismus sind zwei Aspekte vorrangig geworden:

- der Preis jeder Transaktion: Der Staat interessiert sich für den Preis von allem und den Wert von nichts. Der Grund dafür liegt darin, dass für Besteuerungszwecke der Preis alles ist und der Wert nichts;

- die Überwachung jeder Transaktion: Der Staat misst der Kontrolle jeder Transaktion (also dem Anstellen von Arbeitern, dem Verkauf von Gütern) eine solche Bedeutung bei, dass jeder wirtschaftliche Verkehr ohne staatliche Überwachung kriminalisiert und auf die schwarze Liste gesetzt wird (Schwarzarbeit, Schwarzmarkt).

Die Wirtschaft unter dem Etatismus ist abhängig von dieser Preisgestaltung und der allumfassenden Kontrolle, um Ressourcen von den Produzenten abzuziehen und sie zu parasitären Schichten und parasitären Berufen unter der Oberaufsicht des Staates umzuleiten.

 

33. Etatismus: das politische System (^)

Das politische System des Etatismus basiert auf einer Reihe organisierter Gruppen (Parteien, Lobbys, Wahlausschüssen, Mafiagruppen etc.), deren Ziel es ist, Macht zu erlangen oder Gleichgesinnte in Machtpositionen zu bringen.

Das kapitalistische Ziel, Profit durch Produktion zu erzielen, ist unter dem Etatismus durch Griff nach Macht und Prestige mithilfe von Schirmherrschaft ersetzt worden.

Wo das allgemeine Wahlrecht existiert, kann prinzipiell jeder gewählt werden oder helfen jemanden in die höchsten Machtpositionen wählen. Das ist die Anziehungskraft des demokratischen Etatismus.

Sowohl im demokratischen als auch autokratischen Etatismus ist das übergreifende Ziel, nach dem Erreichen der höchsten Positionen so lange als möglich an der Macht zu bleiben, indem man gegenüber den Massen eine Mischung aus Wohlwollen und Brutalität, Barmherzigkeit und Grausamkeit, Zartheit und Terror braucht, ganz wie es nötig scheint. Dies gilt für jedes System, das auf der Usurpation von Macht beruht.

Die zwei üblichsten sind:

- Fälschung-Verschleierung der Realität

Die wichtigste (unvermeidliche) politische Verschleierung besteht darin, die Identifizierung der Interessen der Partei mit dem allgemeinen Interesse gleichzusetzen und politische Gegner (wenn man sie nicht liquidiert oder praktisch zum Schweigen bringt), mit allen Arten von fadenscheinigen Argumenten oder Lügen zu diskreditieren. Plausibel erscheinende Unterstellungen nehmen den Platz von tatsächlichen Wahrheiten ein. Um es kurz zu sagen: was ein wesentlicher Bestandteil des politischen Lebens ist, wäre bei produktiven Tätigkeiten, bei denen gegenseitiges Vertrauen und Zusammenarbeit grundlegende und wichtige Voraussetzungen sind, nicht akzeptabel.

- Korruption-Bestrickung der Menschen

Die Verschleierung von Parteiinteressen durch ihre Gleichsetzung mit allgemeinen Interessen wird vor allem durch die Korrumpierung großer Teile des Wahlvolkes durch die ausgewählte Zuteilung öffentlicher Mittel, die durch den Staat erpresst wurden, bewirkt. Dieser Kauf von Zustimmung wird erreicht durch:

- die Anstellung einer Armee von Beamten. Moderner Etatismus hat die restriktive Ancien Régime-Zuteilung von Staatspositionen abgeschafft. Er hat die Türen weit aufgestoßen und eine große Armee von Bürokraten aus jeder Bevölkerungsschicht geschaffen.

- das Durchfüttern einer großen Zahl von Abhängigen (also den Sozialhilfeempfängern), die mehr und mehr vom großen Bruder Staat abhängen. Die Verschleuderung öffentlicher Gelder erlaubt dem Staat auch einige produktive Wirtschaftszweige zu gewinnen, die einen künstlich geschaffenen Massenmarkt (die Sozialhilfeempfänger als kauflustig Konsumenten) für ihre Güter finden.

Kurz gesagt unterstützt die politische Hand des Etatismus die wirtschaftliche, und beide spielen unter kunstvollem Einsatz von Worten wie "Mitleid", "Arbeitsplätze", und "Umverteilung" die moralische Karte unter der Maske des wohlwollenden fürsorglichen Vaters.

 

34. Etatismus: positive Aspekte (^)

Der Umstand, dass der Etatismus Jahrzehnte überdauert hat, bedeutet, dass er zumindest in vielen Situationen und für verschiedene Aspekte eine historisch notwendige Antwort auf die Bedürfnisse der Menschen war.

Man muss auch festhalten, dass der Staat (d. h. das Parlament) in seinen Anfangszeiten, als er noch keine monopolistische Macht war, hochgradig progressive und sinnvolle Gesetze (die Begrenzung der Arbeitstage, der Schutz von Kindern) in Kraft gesetzt hat.

Darüber hinaus ging nicht alles Geld, das vom Staat zugeteilt wurde, in die Finanzierung von parasitären Unternehmungen ein; manchmal trug er dazu bei, eine bestimmte Region aufzuwerten (z. B. die Tennessee Valley Authority) oder günstige Bedingungen für einen ökonomischen Aufschwung (wie im Fall Singapurs) zu schaffen.

In einigen Fällen hat der Staat also clevere Individuen innerhalb des Staatsapparates Maßnahmen ergriffen, die den Unterdrückten ein gewisses Mass von Würde gegeben haben und dem einfachen Menschen zu einem besseren Leben verholfen haben.

Sogar Homogenisierung muss, wenn sie in der Einführung von höheren Standards oder in der Abschaffung grausamer örtlicher Gebräuche resultiert, auf die positive Seite der Effekte des Staates gesetzt werden.

In vielen Fällen hätte das alles zu gegebener Zeit durch Nachahmung auch so stattgefunden, aber das soll die Rolle, die der Staat als Beschleuniger unter verschiedenen Umständen gespielt hat nicht gering schätzen.

Man muss gleichzeitig aber auch erkennen, dass während der Staat Macht ansammelte und eine monopolistische Kraft wurde, die negativen Aspekte exponentiell gewachsen sind; sie haben nun den Punkt erreicht, an dem sie, wenn Menschen und Gemeinschaften sich noch weiterentwickeln sollen, die Begründung für die Zerstörung des Staates darstellen.

 

35. Etatismus: negative Aspekte (^)

Während seine Befürworter weitere positive Aspekte des Etatismus vorbringen könnten, würde keine noch so ausführliche Aufzählung mit der Liste von äußerster Trostlosigkeit und der Zahl von Tragödien gleichziehen, für die der Etatismus verantwortlich ist, schrecklicher und verderbter als die jeder anderen Organisation in der Geschichte. Nur mit einem blassen Euphemismus könnte man sie als negative Aspekte des Etatismus beschreiben. Hier sind sie unter drei Überschriften zusammengefasst:

- Abhängigkeit

Etatismus hat die Menschen von einer unpersönlichen Macht abhängig gemacht, von einem kollektiven, übergestülpten Gewissen, dem das persönliche moralische Gewissen seine Aufgabe abgetreten hat. Er hat die Freiheit, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, begrenzt, sofern sie nicht staatlich reguliert ist (Pass, Visum, Sondererlaubnis etc.). Er hat eine Unterklasse von leblosen Marionetten geschaffen, die an der Tür auf einen Scheck warten, mit dem sie die Sinnlosigkeit ihrer Leben betäuben können, indem sie nutzlose Dinge kaufen, und sich dadurch lebendig fühlen, während sie moralisch und geistig schon tot sind.

Abhängigkeit hat dem Staat gute Dienste geleistet und gleichzeitig persönliche und gesellschaftliche Entfaltung vernichtet. Genau genommen sind Entwicklung und Staat inkompatible Begriffe, da Entwicklung ein innerer Vorgang ist, in dem es darum geht, stark und unabhängig zu werden, während Etatismus eine von oben nach unten ausgerichtete Situation und eine bestimmende Organisation von Kontrolle und Unterwerfung ist.

- Verzweiflung

Der Etatismus ist verantwortlich für viele Erscheinungsformen des Hasses, die wir als Rassismus, Antisemitismus, Chauvinismus, Nationalismus und Ethnozentrismus kennen, in denen eine Gruppe die "der Staat" wurde, zu randalieren begann und für andere eine Lage äußerster Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung erzeugt hat. Die Deportation und Vernichtung von Volksgemeinschaften (amerikanische Ureinwohner, Armenier, Juden, Kurden, Tutsi und so weiter) ist eines der abscheulichsten Resultate der Dominanz des Etatismus.

Dazu dann noch die Gehirnwäsche an den sogenannten Dissidenten, das Brechen von Einzelmenschen, von allen, die nicht mit der Staatsmacht übereinstimmen oder ihr gehorchen. Die Cheka, der KGB, die SS, die OVRA, die Carabinieri, die Präfektur, das Komitee für unamerikanische Umtriebe, die Polizei, die Armee, ja sogar der kleine Bürokrat - sie alle hatten zu irgendeiner Zeit die Macht auf verschiedenen Wegen und Ebenen, das Leben freier Individuen und Gemeinschaften schlicht trostlos oder völlig untragbar zu machen.

- Tod

Etatismus ist besessen gewesen von der Erschaffung einer Zerstörungsmaschine, die ihren Zenit mit der Atombombe erreicht hat. Wir alle sind unter dem Etatismus viele Male Zeugen einer systematischen materiellen Zerstörung sowie von physischem und geistigem Tod geworden. Die Grausamkeiten, die im 20. Jahrhundert von Staaten verübt worden sind, sind von beispiellosem Ausmass und können hinsichtlich ihrer Brutalität (aber nicht in ihrer Dauer) mit denen verglichen werden, die von den verrücktesten, geistesgestörtesten und verkommensten Persönlichkeiten begangen wurden.

Sogar die Spanische Inquisition, der verachtenswerteste Machtausdruck der katholischen Kirche, der die Tötung von 3000-5000 Menschen im Verlauf von 350 Jahren (1478-1834) zur Folge hatte, kann sich nicht im Geringsten mit der Auslöschung von 6 Millionen Juden durch die Nazis, den über 10 Millionen vom Stalin-Etatismus Liquidierten und den 30 Millionen, die unter dem maoistischen Etatismus verhungerten, vergleichen, und das ist nur eine kleine Auswahl der Todesraserei des Etatismus. Die Zahl der Toten, die vom Staat während der historischen Periode des Etatismus von ungefähr 1870 (Deutsch-Französischer Krieg, die Zerstörung der Porta Pia Mauer in Rom und die italienische Invasion des Kirchenstaates) bis 1989 (Fall der Berliner Mauer und Zusammenbruch des kommunistischen Etatismus) durch die zahllosen, von ihm hervorgerufenen kleinen und großen Katastrophen verursacht wurden, übersteigt 100 Millionen Menschen im Durchschnitt 1 Millionen Individuen, die jedes Jahr vom und für den Leviathan geopfert wurden.

Wenn man ins 20. Jahrhundert zurückschaut, dann ist der Schrecken des Etatismus für jeden, der sich die Mühe macht, die Augen aufzumachen oder sich zu erinnern, immer noch da: die Gaskammern, die Konzentrationslager, die ethnischen Säuberungen, die Massenmorde, die Beseitigung der Freiheit, die Vernichtung der Würde, zerrissene Gemeinschaften, Kinder, die ihre Eltern denunzieren, Freunde, die Freunde verraten.

Unter dem Joch des Etatismus haben zu viele Menschen in dauernder Angst und Gefahr eines gewaltsamen Todes gelebt und tun es noch, weil der Staat zu oft die Leben freier Menschen und Gemeinschaften armselig, ekelhaft, tierisch und kurz gemacht hat.